Meine leibliche Familie war noch nicht komplett:

Erst als ich selber Mutter war, wurde mein Verlangen sehr groß den Rest meiner Wurzeln zu finden. Das lag wohl an der nicht vorhandenen Mutterbindung. Zumindest fehlten noch zwei Personen aus meiner Familie, die ich nicht kannte.

Ich ging mit voller Zuversicht an diese Suche heran, was sich doch als etwas schwierig herausstellte. Erstmal brauchte ich ihre Daten, wie Geburtsdatum, Mädchenname, letzter Wohnort usw. Also fragte ich meinen Vater, ob er mir weiterhelfen könne, was er natürlich so gut er konnte tat.

Mit meinen Info´s meldete ich mich schriftlich beim Einwohnermeldeamt. Es dauerte einige Wochen bevor ich ihre neue Adresse in der Hand hielt.
Ich schrieb ihr den gleich folgenen Brief, auch hier natürlich ohne Vorwürfe. Ich sagte auch ihr, daß es völlig okay wäre, wenn sie den Kontakt zu mir nicht wollte!

Hallo liebe J.,

Du wunderst Dich jetzt bestimmt, dass Du von mir (einer Unbekannten) einen Brief bekommst. Ich selbst weiß seit fast 8 Jahren, dass es Dich gibt. Aber bisher fehlte mir eine große Portion Mut mich an diesen Brief zu setzen.

Außerdem war es nicht ganz einfach Deine jetztige Adresse zu erfahren. Aber wenn man entschlossen ist etwas zu erfahren, schafft man es auch. Ja, mein oller Dickkopf war sehr hilfreich! Jetzt erkläre ich Dir wohl erst mal Alles! Aber bitte bis zum Schluß lesen, ja ???

Also: Ich bin am 17.07.1972 als Conny-Yvonne in Eckernförde geboren. Damals hatte ich 3 große Brüder. Als ich ca. 1 Jahr alt war, kam ich mit den 2 etwas älteren Brüdern ins Kinderheim. Die 2 kamen im September´73 in eine Pflegefamilie, wo sie auch blieben. Ich war noch ein Jahr länger dort. Im Juli ´78 wurde ich auf den Namen Ute getauft.

Meine Eltern haben mir zwar immer wieder erklärt, dass ich nicht ihr leibliches Kind wäre, aber ich wollte überhaupt nix davon wissen! Sie waren schließlich Diejenigen mir ihre ganze Liebe, Geborgenheit, Essen, Trinken gaben und mir das Sprechen beibrachten. Deshalb war das absolut kein Thema zum Nachdenken für mich! Das kam erst so richtig mit 16 Jahren, ja, damals wurde es sehr wichtig für mich meine Wurzeln zu erforschen.

Meine Eltern haben mich unterstützt so gut es ging. Irgendwann hatte ich mit Bübi´s Bruder Kontakt aufgenommen. Er schrieb mir natürlich unbekannter Weise zurück. So erfuhr ich zum Glück schon Einiges von meinen leiblichen Familien. Wir schrieben uns einige Briefe bis dieser Kontakt dann wieder abbrach.

Am Tag meiner Schulentlassung bekam ich den ersten Brief von meinem Bruderherz. Am Anfang war ich sehr verwirrt, doch nach einigen Tagen schrieb ich ihm dann doch zurück. War gar nicht so einfach diesem Unbekannten zu schreiben, der mein Bruder sein wollte/ sollte! Es folgten viele lange Briefe, noch längere Telefonate und nach 3 Monaten dann das erste Treffen...

Klar war ich aufgeregt damals und als ich ihn sah, war ich total baff, denn wir sahen uns schon sehr ähnlich. Wir sprachen die ganze Zeit. Anfangs über unsere Vergangenheiten, dann über unsere Wurzeln, zeigten uns Kinderfotos und bedauerten es sehr keine Babyfotos zu haben. Aber das ließ sich ja nun mal nicht ändern.

Meine Eltern verstanden sich nach den 4 Stunden allein unter Geschwistern auch auf Anbhieb mit ihm.Wir blieben noch eine Stunde da. Ja, unser Kontakt blieb bis heute. Später habe ich auch noch Bübi und den anderen Bruder kennengelernt.  

Mit 20 Jahren habe ich J. geheiratet. Er hat meinen Nachnamen angenommen, toll, was ? Naja, 3 Monate später wurde ich das erste Mal Mutter. Inzwischen ist meine Große 3,5 Jahre und meine Kleine 1 Jahr und 4 Monate alt.

Vor einem Jahr sind wir das letzte Mal umgezogen. Meine Eltern haben für uns mit meinem Onkel ein Zweifamilienhaus gebaut, wo wir jetzt in der einen Hälfte wohnen und natürlich Miete zahlen. Hier werden wir wohl alt werden. Zum einen kenne ich jeden im Dorf, dadurch dass meine Eltern mit mir hierher zogen als ich 4 Jahre alt war. Und zum Anderen fühlen wir uns hier pudelwohl. Es gibt Kinder in der Nachbarschaft.

Meine Große geht 2x die Woche zum Spielkreis in den Kindergarten und die Schule ist noch nicht mal 2 km entfernt. Später können meine Töchter mit dem Fahrrad ur Schule fahren. Besser könnte die Lage doch echt nicht sein. Im Dorf haben wir 1 Kaufmann, 1 Bäcker, eine Gastwirtschaft mit Saal, beim Wald ist die Waldschänke. Also alles was man zum Leben und Genießen braucht.  

Hm, so langsam wird es schwierig für mich weiter zu schreiben! Irgendwie fällt mir nichts mehr ein.

Ich weiß zwar nicht, ob es Dir recht ist, dass ich versuche mit Dir Kontakt aufzunehmen, aber dass könntest Du mir ja schreiben. Selbst wenn Du kein Interesse an mir, meinem Mann und Deinen 2 Enkelinnen hast, wäre es schön wenn Du mir das schriftlich übermitteln könntest. Achso, ehe ich es vergesse, meinen Brüdern geht es sehr gut. Beide leben in festen Beziehungen und sind glücklich.

So das zu Deinen 3 jüngsten Kindern. Nun liegt  es an Dir! Vielleicht hättest Du ja sogar ein Babyfoto für uns ? Dann bis zum nächsten Mal! (Wenn Du das möchtest) Tschüssi, Deine Ute


Das erste und letzte Treffen:

Nach einigen langen Telefonaten trafen wir uns an einem neutralen Ort, es war ein Grill an einem Bahnhof. Ich war sehr froh, dass mich mein Mann begleitete. Alleine hätte ich mir das ganz bestimmt nicht zugetraut.

Ich war so aufgeregt, daß ich dachte mein Herz würde explodieren, als wir uns zu meiner Mutter und meinem Bruder an den Tisch setzten. Nein,ich glaube nicht, daß ich meine Mutter sofort erkannt hätte. In meiner Phantasie hatte ich sie mir anders vorgestellt. Meinen Bruder hatte ich sofort erkannt. Dass er wirklich nur mein Halbbruder sein sollte, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Nein, diese Ähnlichkeit!

Sie erzählte mir die Geschichte von damals in ihrer Version. Aber ich kann mir ja das Zwischending rausfischen, dachte ich mir. Denn einer allein, kann einfach nicht der Schuldige sein. Für mich gehören da immer zwei zu...

Allerdings blieb der Kontakt nicht sehr lange bestehen, was nicht an mir lag. Aber darauf hatte ich mich ja von vornherein eingestellt. So konnte ich damit besser umgehen. Außerdem war mir zu Ohren gekommen, daß sie uns noch nicht mal im Kinderheim besucht hatte. Ist mir mittlerweile auch egal, denn man kann nicht alles haben im Leben!

Und ich sehe das alles trotzdem von der positiven Seite. Gut, sie hat dem Treffen zugestimmt. So konnten wir uns nach all den Jahren einmal sehen. Daß der Kontakt wieder abbrach, ist nicht wirklich schlimm für mich, denn zumindest habe ich meine gesamten Wurzeln gefunden. Ich weiß von wem ich abstamme, von wem ich was geerbt habe und nur dadurch bin ich ganz zur Ruhe gekommen!

Ich habe ja wirklich eine supertolle Adoptivfamilie, meine eigene kleine Superfamilie, meinen Bruder und meinen Vater. Besser kann es mir doch gar nicht gehen !!!!!!!!


Und jetzt sage ich vielen Dank für Dein Interesse !!!! Tschüssi und bye bye
Deine Ute

 

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